Wo der Pfeffer wächst

21 01 2010

Habe mittlerweile eine kleine Tour durch Südkambodscha hinter mir. Nach Angkor und Siem Reap (auch echt ein nettes Städtle!) habe ich ein bisschen mehr Geld in die Hand genommen und bin per Boot nach Phnom Penh geschippert. Der finanzielle Mehraufwand der Bootsfahrt hat sich auch gelohnt, denn so konnte ich mir eine für Touristen angebotene Pauschaltour zu den schwimmenden Dörfern auf dem Tonle Sap sparen. Da ging die Bootsfahrt nämlich direkt dran vorbei. Die Menschen auf dem größten See Südostasiens leben auf Hausbooten und bringen sogar ihre Haustiere auf kleinen schwimmenden Ställen unter. Bestimmt kein einfaches Leben.

Schwimmendes Dorf auf dem Tonle Sap

Schwimmendes Dorf auf dem Tonle Sap

Phnom Penh, die Hauptstadt von Kambodscha, hatte ich mir viel moloch-artiger vorgestellt. Tatsächlich ist die Stadt zwar laut und total mopedverseucht, hat aber einen sehr angenehmen Charme. In die armen Außenbezirke bin ich zwar nicht vorgedrungen, aber die Innenstadt habe ich kreuz und quer durchwandert, war auf den Boulevards, den Märkten, in den kleinen Gassen und an der Strandpromenade – und es hat mir gut gefallen. Auffällig ist, wie jung die Kambodschaner im Schnitt sind. Man sieht fast nur junge Leute, die abends am Flussufer synchron zu Popmusik tanzen und zu zweit oder zu dritt auf ihren Mopeds durch die Stadt heizen.

Französisches Viertel in Phnom Penh (ohne Mopeds)

Französisches Viertel in Phnom Penh (ohne Mopeds)

Auf dem Markt kann man günstig Falschgeld kaufen.

Auf dem Markt kann man günstig Falschgeld kaufen.

Dass es wenig Leute über 40 gibt, liegt wohl unter anderem an der jüngsten Geschichte. Pol Pot und seine Mörderkumpanen der Roten Khmer haben schließlich vor 35 Jahren fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausgelöscht. Das muss man sich mal vorstellen. Ein Haufen eigentlich ganz gebildeter Leute (die haben fast alle in Paris studiert) plant den „perfekten“ sozialistischen Bauernstaat und beschließt mal so aus dem Ärmel raus, dass bestimmt Faktoren da nicht rein passen. Städte zum Beispiel. Also wurden nach der Machtergreifung 1975 innerhalb von 48 Stunden unter Androhung der Todesstrafe die Hauptstadt evakuiert und alle Leute aufs Land verfrachtet, um künftig als Reisbauern zu leben. Und weil Bildung und Religion auch nicht ins verquere Konzept passten, wurden alle Intellektuellen, Lehrer, Ärzte, Wissenschaftler, Mönche, ja sogar alle Brillenträger (!) verhaftet, gefoltert und ermordet. Und damit es später keine Racheakte gäbe, gleich auch deren Frauen und Kinder mit. Da wurden also kleine Kinder erschlagen, weil der Vater kurzsichtig war. Man kann es eigentlich gar nicht glauben.

Wenn man sich dann allerdings das Genozid Museum anschaut, das ursprüngliche eine Schule war, dann aber zum berüchtigten Foltergefängnis S-21 umfunktioniert wurde, nimmt das Grauen Gestalt an. Man ist als Deutscher ja durch die eigene Geschichte schon einiges gewohnt, KZ Besuche haben ja auch noch nie jemanden kalt gelassen. Aber das da ist noch ein Stück weit schockierender … vielleicht weil es noch nicht so lange her ist und weil überall noch die Folterinstrumente rumstehen.

Als ich dann aber zum Abschluss noch die Killing Fields vor Phnom Penh besichtigte, nahm das Grauen so reale Gestalt an, dass ich die Nacht drauf kaum schlafen konnte. Die zum Tode Verurteilten wurden nach dem monatelangen Martyrium in S-21 einige Kilometer vor die Stadt gebracht und dort ermordet. Mit Äxten, Hacken und Knüppeln erschlagen, um das Geld für Patronen zu sparen. Noch immer sind nicht alle Massengräber geborgen. Man hat fast 10.000 Tote ausgegraben, aber da sind noch viel mehr in der Erde. Und wenn man da rumläuft, die Gedenktafeln liest und die offenen Massengräber anschaut, wird einem ganz flau. Wenn man aber feststellen muss, dass überall verblichene ehemals bunte Kleiderfetzen aus dem Boden gucken, wird das Grauen schon sehr real. Wenn man dann aber auch noch begreift, dass die Kieselsteine auf den staubigen Wegen gar keine Kieselsteine sondern menschliche Knochensplitter und Zähne sind, dann möchte man am liebsten vor Entsetzen heulen und davon rennen. Es ist schon ein Unterschied, ob man Filme oder Bilder sieht – oder einen menschlichen Zahn vom Boden aufhebt. Selbst jetzt, vier Tage nach dem Besuch der Killing Fields, kriege ich beim Gedanken daran Herzrasen.

Hört sich einfacher an als es ist...

Hört sich einfacher an als es ist...

Die Killing Fields von Phnom Penh.

Ja, das sind Zähne.

Eigentlich wollte ich ja einen amüsanten, lustigen Blog schreiben. Aber das musste ich jetzt los werden, konnte ja bisher mit keinem so richtig drüber reden. Das geht mir seither die ganze Zeit im Kopf rum… Aber jetzt langt’s auch wieder.

Nach dem Khmer Rouge Konfrontationstag bin ich direkt nach Süden abgereist. Bin mit dem Bus erstmal nach Kampot gefahren. Leider nur 5 Stunden Busfahrt. Ich habe mich ja mittlerweile nicht nur ans Busfahren gewöhnt, sondern dasselbe auch lieben gelernt. Man sieht so viel vom Land und kann zwischendurch gemütliche Nickerchen machen. Nirgends schlafe ich so schnell und so gut wie im Bus. Auf der Fahrt nach Angkor war allerdings eine große Katastrophe passiert: Ich ließ mich nach einem Toilettenbesuch auf mein aufgeblasenes Nackenhörnchen fallen, das daraufhin mit einem lauten Knall platzte. Vergeblich versuchte ich das geliebte Schlaf-Utensil in diversen Fahrradwerstätten flicken zu lassen, ohne Erfolg. Glücklicherweise habe ich in Phnom Penh eine Straße entdeckt, die auf Nackenhörnchen spezialisiert war, da konnte ich dann ein neues kaufen.

Kampot ist eine kleine Stadt am Ufer eines Flusses, fast am Meer. Ein ziemlich verschlafenes Nest mit einer schönen Uferpromenade mit französischen Kolonialbauten (auf die ich ja total stehe), die teilweise hübsch verfallen sind. Der eigentliche Grund meines Besuchs war aber der berühmte Kampot Peffer – angeblich der beste Pfeffer der Welt. Pfeffer ist ja mit Abstand mein Lieblingsgewürz, eine Zeitlang habe ich ja auch verschiedene Pfeffersorten gesammelt. In Kampot habe ich einen freundlichen Mopedfahrer gebucht, der mich auf eine Pfefferplantage gefahren hat. Ich konnte frischen Pfeffer direkt vom Strauch runteressen und weiß nun auch um die verschiedenen Qualitäten und Sorten. Die frischen reife roten Pfefferbeeren übertreffen geschmacklich alles, was ich an Pfefferartigem je probiert habe. Erst schmeckt er ganz süß, dann blumenartig (fast wie Jasminblüten), dann pfeffrig scharf. Natürlich habe ich mir auch gleich einen kleinen Vorrat von bestem weißem Kampot Pfeffer zugelegt und mir nebenbei die Hosentaschen mit frischen Pfefferbeeren voll gestopft. Ich hätte ja am liebsten meine komplette Reisekasse in Pfeffer investiert, aber wer soll das alles schleppen?

Lecker frischer Kampot Pfeffer

Lecker frischer Kampot Pfeffer

Dann habe ich meinen netten Moped-Chauffeur gebeten, mir sein Dorf zu zeigen, was er auch gerne getan hat. Seine Eltern ernten Palmzucker, wobei ich seinen Vater auch vor Ort beobachten konnte. Das bringt im Schnitt drei Dollar pro Tag. Der Palmblütensaft wird eingekocht bis eine feste Masse entsteht, die spitze schmeckt. (Das wäre bestimmt ein Importschlager bei uns, er schmeckt wie Ahornsyrup und Caramel, sehr lecker.) Während der Regenzeit gibt es monatelang weder was zu tun noch was gescheites zu essen. Nur Reis mit Salz. Die Leute sitzen mit ihren Hühnern im Obergeschoss ihrer Hütten und warten, bis es wieder trocken ist. Da muss man sich innerhalb der Familie schon arg gut verstehen …

Am nächsten Tag bin ich weiter gefahren nach Sihanoukville, einem ziemlich touristischen Badeort am Meer. Wenn es nicht ständig regnen würde, wäre es sicher absolut traumhaft hier. So sitze ich seit gestern fast ausschließlich unter schützenden Schirmen am schmalen, weißen Sandstrand und vertreibe mir die Zeit mit Lesen und Schreiben. Aus der geplanten Inseltour wurde wettertechnisch leider nichts. Stattdessen musste ich mich damit begnügen, mir den Bauch mit Muscheln, Tintenfischen, Garnelen und Barracudas voll zu schlagen. Auch nicht so schlecht.

Morgen reise ich wieder ab, zurück nach Phnom Penh, wo mein Pass gerade das Vietnam Visum eingeklebt bekommt. Dann geht’s direkt weiter nach Saigon. Wieder schön lang Bus fahren!