Saigon und das Mekong Delta
27 01 2010Seit fünf Tagen bin ich jetzt in Vietnam, und hier ist schon wieder alles ganz anders. Da hat man sich gerade an ein Land mit seinen Leuten und den typischen Eigenarten und Macken gewöhnt, da kommt wieder was neues auf einen zu. Vietnam und vor allem Saigon (= Ho Chi Minh City) ist ganz anders, als es mir von vielen Leuten, die schon dort gewesen waren, geschildert worden war. Zunächst mal ist mir aufgefallen wie sauber und aufgeräumt alles aussieht, jedenfalls im Vergleich zu Kambodscha und Laos. Und die Leute sind viel zurückhaltender, auf eine stolze, höfliche Art. Manchmal leider auch etwas pampig und kurz angebunden.
Viele hatten ja gesagt, dass man sich Saigon getrost sparen könne, das sei einfach eine laute, hässliche Großstadt. Finde ich so gar nicht! Saigon ist sehr grün, lebendig und aufregend, modern und doch exotisch, hat schöne Märkte, Boulevards, tolle Parks wo früh morgens und abends gemeinschaftlich gesportelt wird, und viele tolle Kneipen, Galerien, Restaurants und auch sonst alles was das Herz begehrt. Außer Ruhe.
Was die Lebensqualität hier am meisten einschränkt sind die Trillionen Mopeds. Die Zeiten, wo sich die Vietnamesen ruhig und fotogen per Fahrrad fortbewegten, gehören leider der Vergangenheit an. Nur noch Touristen strampeln sich auf dem Fahrrad ab. Alle – wirklich alle! – Vietnamesen fahren Moped. Egal wie arm, ein Moped geht immer. Besonders unangenehm und vor allem gefährlich ist die Tatsache, dass es keine Verkehrsregeln gibt. Keine. Jeder fährt wie und wo er will. Der Rechtsvekehr wird grob eingehalten, aber auch nicht immer. Generell hat der Stärkere Vorfahrt, und/oder der, der am längsten und lautesten hupt. Es ist haarsträubend mit anzusehen, was an großen Kreuzungen vor sich geht (Ampeln gibt es selten): Da fahren alle Verkehrsteilnehmer ungebremst von allen Seiten in die Kreuzung ein und hupen wild, weichen sich gegenseitig in Schlangenlinien aus und bremsen, wenn es sein muss. Erstaunlicherweise habe ich noch keinen einzigen Unfall gesehen. Als Fußgänger muss man immer höllisch aufpassen und auf Hupen achten, denn das könnte einem selbst gelten. Hupen statt bremsen ist die Devise. Wenn man nicht sofort zur Seite springt, wird man umgenietet, – auch gerne von Geisterfahrern oder von Links- oder Rechtsabbiegern, die aus dem Nichts auftauchen. Mir stehen schon jedesmal die Schweißperlen auf der Stirn, wenn die Überquerung einer Kreuzung ansteht. Da muss man seine Augen überall haben. Noch bin ich heil geblieben. Toi toi toi.
Nachdem ich mich ja auch in Kambodscha mit der schlimmen Geschichte auseinander gesetzt hatte, musste ich mich natürlich auch mit dem Vietnamesischen Pendant beschäftigen. Also ging’s erstmal ins Kriegsverbrechen-Museum. Über den Vietnamkrieg hatte ich ja schon deutlich mehr gesehen und gehört als über die Greueltaten in Kambodscha. Allerdings meist aus amerikanischer Sicht. Die Amis hatten durch Filme und Dokumentationen irgendwie ein Gesicht, wenn auch kein so arg schönes. Mit den Vietnamesen bzw, den „Viet Cong“ hatte ich zwar Mitgefühl, aber irgendwie waren die mir immer fremd und unheimlich.
Nach dem Besuch des Museums in Saigon hat sich der Spieß umgedreht. Ich finde, das sollte sich jeder Ami mal als Pflichtprogramm anschauen, wo sie doch so gerne mit dem Finger auf uns Deutsche mit unserer Nazivergangenheit zeigen (und wo ja viele Amis immer noch denken, sie hätten den Krieg gewonnen). Ich will nicht schon wieder ins Detail gehen, aber ich bin tatsächlich peinlicherweise mitten im Museum in Tränen ausgebrochen. Drei Millionen tote Vietnamesen, davon zwei Millionen Zivilisten. Alte, Frauen, Kinder, einfache Bauern von den Amis wegmassakriert und mit Gift totgesprüht. Agent Orange zeigt auch heute noch Wirkung durch unzählige schwerbehinderte und deformierte Kinder. Umso erstaunlicher ist es, dass die Vietnamesen wenig nachtragend zu sein scheinen. Viele sprechen englisch, die Sprache des ehemaligen Feindes. Und alle Westler sind herzlich willkommen, auch Amis.
Am Tag drauf habe ich mir dann noch die Tunnelanlagen von Cu Chi angeschaut. Das war höchst faszinierend. Die Vietnamesen hatten ja nichts, waren ja arme Bauern. Aber mit welchen einfachen, cleveren Mitteln sie den Amis das Leben zur Hölle gemacht haben ist schon Respekt einflößend. Vor allem das Tunnelsystem. Um sich vor den Amis zu verstecken wurden gigantische unterirdische Systeme auf drei Etagen angelegt, die so eng waren, dass die großen Amis mit ihrer schweren Ausrüstung erst gar nicht rein gepasst haben. Die Tunnel wurden von Ebene zu Ebene immer enger, ganz unten waren sie nur noch 40 x 70 cm im Durchmesser. Zeitweise versteckte sich ein Großteil der Landbevölkerung da unten vor den Angriffen der Amerikaner. Die Tunnel waren total komplex und engmaschig angelegt, in Zickzacklinien verlaufend und mit Sackgassen und Fallen ausgestattet, so dass die Amis kaum eine Chance hatten, die Tunnel einzunehmen. So konnten die Viet Cong immer heimlich beobachten, wohin sich der Feind gerade bewegte und konnten aus dem Hinterhalt von verschiedenen Seiten angreifen und schnell wieder verschwinden.

Ich krieche durch einen Tunnel der Viet Cong

Tunneleingang in Originalgröße. Ich habs gar nicht erst probiert.
Auch sonst hatten die Vietnamesen einfache aber schlaue Ideen. Beispiel: Weil sie ja arm waren und weil es 8 Monate im Jahr regnet, trugen die Viet Cong keine schweren Armeestiefel wie die Amis, sondern selbst gemachte Schlappen aus Autoreifen. Die Sohlen wurden symmetrisch oval ausgeschnitten, damit Spurenleser nicht erkennen konnten, in welche Richtung die Vietnamesen gegangen waren. Einfach, billig und wirkungsvoll. Jedenfalls habe ich eine große Sympathie für die Viet Cong entwickelt, obwohl die natürlich auch nicht zimperlich mit Menschenleben umgegangen sind. Aber war ja Kriech…
Einen Vormittag lang habe ich mir dann noch zusammen mit einem sehr netten Paar aus Neustadt den Markt im Chinesischen Viertel durchstöbert. Von den asiatischen Märkten kann ich ja nicht genug kriegen. Was es da alles gibt! So viel Obst, Gemüse, Kräuter, Gewürze, Pasten und allerlei, was man nichtmal identifizieren kann. Man darf aber immer gerne probieren, was manchmal auch nach hinten los gehen kann. Habe zum Beispiel eine kürbisartige orangefarbene Frucht probiert, deren Fleisch dann aber schleimig, Fäden ziehend und blutrot war, geschmacklich eher fad und leicht bitter. Habe die Probe in einem Taschentuch entsorgt. Außer Lebensmitteln gibt es auch alles andere für den Hausgebrauch, zum Beispiel Küchengeräte, Kosmetika, Hüte, Schuhe, Klamotten … man könnte den ganzen Tag da verbringen.

Undefinierbare Gewürze

Undefinierbare Gemüse im Glas

Undefinierbares Glibberzeug
Die letzten beiden Tage habe ich im Mekong Delta zugebracht, auf einer vorgefertigten Pauschaltour. Das war ja nicht so mein Ding. Man wurde per Bus an den oberen Mekong gekarrt, 30 Mann raus aus dem Bus, 10 Minuten Boot fahren, dann Besichtigung einer Obstplantage (mit anschließendem Verkauf), einer Reisnudelfabrik (mit anschließendem Verkauf), einer Reisfabrik (mit anschließendem Verkauf) und einer Coconut-Candy Produktion (mit anschließendem Verkauf), wobei letztere ganz nett war, weil die knetartigen Kokos-Bonbons wirklich lecker waren. Bis die ganzen 30 Leute immer eingesammelt und ins nächste Verkehrsmittel verfrachtet waren … nicht gut für jemand ungeduldigen wie mich. Immerhin habe ich drei nette Spanier kennen gelernt, mit denen war es lustig. Wir haben zusammen abstruse Sachen im Restaurant bestellt und durchprobiert, unter anderem ein Tisch Barbecue mit kleine Fischen und einen Hot Pot mit diversen komischen Fischzutaten, den man sich auf offener Flamme auf dem Tisch zubereitet hat. War aber lecker!

Vietnamesisches Tisch-Barbecue
Das Highlight der Mekong-Delta-Fahrt war der Besuch eines schwimmenden Marktes bei Can Tho. Das war beeindruckend und im Gegensatz zu den ganzen schwimmenden Märkten um Bangkok rum nicht für Touristen künstlich arrangiert sondern echt. Die Boote drängen sich dicht an dicht und von jedem wird meisten nur ein einziges Produkt verkauft. Um anzuzeigen, was man anzubieten hat, wird das Produkt an einer langen Bambusstange gehisst, so dass es von weitem sichtbar ist. Das sieht nett aus, die ganzen Stangen mit Kürbissen, Rüben, Melonen, Ananassen und allem anderen Obst und Gemüse dran. Wir wurden dann grüppchenweise in kleine Boote gesetzt und wurden durch das Gewimmel von Booten geschippert. Das hat mich wieder versöhnt.

Auf dem Floating Market
Morgen geht es weiter nach Norden, nach Da Lat. Da sollen schöne Aktivitäten in der Natur möglich sein. Aber erstmal wieder 7 Stunden Bus fahren. Aber macht mir ja nichts aus. Nur schade um den Tag…
Noch eine kurze Bitte zum Abschluss: Ich freue mich ja immer wie verrückt über alle Nachrichten aus der Heimat. Die meisten schreiben mir mittlerweile Mails an meine Mailadresse, über die ich mich auch immer wahnsinnig freue. Allerdings kann ich die Mails länger und besser als Erinnerung aufbewahren, wenn sie als Kommentar im Blog gepostet werden – denn mein Blog ist ja wie mein Tagebuch der Reise, das ich mir auch noch in einigen Jahren anschauen und durchlesen werde, inklusive der dazu gehörigen Kommentare. Ich werde mir auch alles komplett ausdrucken und aufbewahren. Mails dagegen verschwinden ja irgendwann im Nirvana des Posteingangs und man schaut nie mehr rein. Also, wenn es euch nichts ausmacht, und wenn ihr nicht gerade was privates schreiben wollt, dann schreibt doch einfach in die Blog Kommentare rein. Ich freu mich schon!
Liebe Marion,
gehts Dir gut?
Das Warten hat sich wieder gelohnt.
Jetzt begleiten wir dich auch noch durch Saigon und das Mekong Delta.
Gratuliere, dass Du Dich schadensfrei durch den Verkehr bewegst. Mach weiter so, lass nicht nach. Die Mopeds sind doch wirklich die reine Pest. Hoffentlich hast Du eine Unterkunft, die abseits der großen Straßen liegt. Ich hatte das mal die ganze Nacht in Kerkyra. Vermutlich fahren die Mopedfahrer wie dort auch alle ohne Helm, oder? So sehr ich mich immer über den Saloniki-Markt freue. Die Märkte in SO-Asien sind noch deutliche Steigerungen. Ganz besonders der schwimmende Markt. Und was Du da alles zu probieren bekommst … Besser als Kuh am H….?
Dass gerade Du an so einer „Kaffeefahrt“ mitgemacht hast. Sind dir da nicht auch noch Heizdecken angeboten worden :-)?
Die Tunnelsysteme sind ja noch schlimmer als die U-Boote im 2.Weltkrieg. Tatsächlich nix für große Leute, und nix für Klaustrophoben. Und wenn da noch Spinnen rumlaufen. Dein Glück wäre sicherlich vollkommen. Das alles ausbuddeln: alle Achtung.
Mit den Kriegs(verbrechen)-Berichten zu Vietnam ist es wie mit der Geschichte zu Persien/Griechenland, zu den Indianern in Nordamerika, zu … Der Sieger schreibt die Geschichte, oder der welcher den besseren Zugriff auf die Medien hat.
Es ist schon schlimm, was da in Vietnam passiert ist , von dort nach Kambodscha getragen wurde und letztendlich Pol Pot ermöglichte.
Das Huhn ist übrigends nicht wieder aufgetaucht. Danke für Deine Anregung, wir werden darüber nachdenken.
Mach et juut. Halte die Ohren steif. Bleib gesund und pass auf Dich auf.
Viel Spaß in Da Lat.
Uta und Klaus
Igitt – Kokos-Bonbons… \(^_^)/
Hi Marion,
freut mich das dir Saigon gefällt. Wenn du wieder da bist musst du mir mal die Bilder zeigen. Für mich, als ich die Nord Süd Tour gemacht habe hat mir das Flair in Hanoi einfach besser gefallen. Aber wir hatten auch nicht viel Zeit in Saigon und haben es mehr als neumodische Großstadt erlebt. Der Eindruck von Hanoi war mehr Nostalgisch im Zentrum in dem wir dort waren. Ja Chu Chi ist eindrucksvoll mit den Tunneln. Wurde bei deinem Besuch auch so viel im Schießstand rumgeballert? Und das Museum war auch heftig, da sind starke eindrucksvolle Bilder ausgestellt. Wünsche dir weiter ne gute Zeit in Vietnam mit vielen leckeren King Prawns und guten Suppen. Hast du die leckeren „bastel“ Suppen in Vietnam schon probiert? lg Nico
Ah ja, bei victor charlie angelangt! gut, dass die „alten wunden“ heilen dort. und das ist betsimmt nicht einfach, nach all den hunderten jahren krieg, mal mit dem einen, mal mit dem anderen eroberer. die speisen erscheinen ja besonders interessant. uaaah. easy with the salad!
nun gut, ich wünsche dir noch schöne tage im feindesland. don´t get lost in some f***ing charlie tunnel.
love+peace
holle