Kirmesattraktionen in Südburma

20 12 2009

Seit vorgestern bin ich wieder in Bangkok, habe also mein Burma Abenteuer heil überstanden. Und ich kann nur jedem empfehlen, dieses wunderbare Land mit seinen unglaublich freundlichen Leuten selbst mal zu besuchen – auch wenn Regime-Gegner zu einem Reiseboykott aufrufen. Das nutzt den Leuten da überhaupt nichts.

Am Tag nach der Hindu Hochzeit habe ich einen Ausflug zum größten liegenden Buddha der Welt gemacht, der sich gerade im Bau befindet. Ein bizarres architektonisches Meisterwerk: Von außen Buddha, von innen Geisterbahn. Das Böse und das Leid in der Welt wurde in düsteren, aufeinander folgenden Kammern und auf mehreren durch enge Treppen verbundene Ebenen dreidimensional dargestellt, mit Teufeln, einander auffressenden Monstern, blutrünstigen Geiern, den den Menschen die Augen auspicken uns so weiter.

Gesiterbahn im Bauch des Buddha

Geisterbahn im Bauch des Buddha

Dazwischen stehen Zementsäcke, Betonmischmaschinen und allerhand Baumaterial. Und jede Menge barfüßige Pilger. Beim Ausgang wurde ich von einem Mönch im barschen Befehlston aufgefordert, einen Beitrag zum Bau des Heiligtums zu leisten. Ich habe für 60 Cent eine rote Kachel gestiftet, die ein winziges Fragment im Buddha-Gewand sein wird. Sogar mit Zertifikat. Das gibt mal wieder Super Karma!

Am folgenden Tag wollte ich noch mehr für’s Karma tun und bin nach Norden zum Goldenen Felsen gefahren, einer der wichtigsten Pilgerziele in Burma. Das war auch echt ein Erlebnis, jedenfalls der Weg bis zum Heiligtum. Zuerst muss man auf der Ladepritsche eines offenen Pilger LKWs ca. eine Stunde den Berg hochfahren. Die quetschen da so viele Leute hintendrauf, wie irgendwie rein passen und los geht’s mit atemberaubender Geschwindigkeit, dass es einen wie wild hin und her beutelt. Später bei der Abfahrt ging’s so zackig über Kuppen und in Kurven, dass ich mehrmals mit dem Hintern vom Sitz abgehoben bin. Die „Wilde Maus“ auf der Mess‘ ist ein Scheiss dagegen!

Achterbahn zum "Golden Rock"

Achterbahn zum "Golden Rock"

Der LKW lädt einen am Startpunkt des Pilgerpfades am Berg ab, dann muss man noch ca. 45 Minuten eine ganz schlimm steile Straße hoch laufen. Oder sich per Sänfte von vier starken Burmesen hoch tragen lassen. Die Versuchung war groß, aber ich habe widerstanden. Ist auch besser für’s Karma, wenn man zu Fuß geht. Und ich kann stolz berichten, dass ich trotz maroden Knien und Badelatschen von allen Busmitfahrern am schnellsten oben war! Ein Wunder!!

Besonders bizarr und daher sehenswert sind die Verkaufsstände mit Chinesischer Medizin auf dem Weg hoch zum Goldenen Felsen. Lauter Wurzeln, Knollen und Beeren, dazwischen getrocknete Flughörnchen, Sud aus Skorpionen und Tausendfüsslern und anderem Gewürm. Erst seit kurzem werden Zutaten wie Tigerpenisse, Bärentatzen und Affenschädel nicht mehr öffentlich zur Schau gestellt sondern nur noch unter der Ladentheke verkauft. Die Chinesen sind da ganz wild drauf, weil es gut für die Potenz ist. Asiaten scheinen ja mit der Manneskraft ein ernstes Problem zu haben.

Medizin aus giftigem Gewürm

Medizin aus giftigem Gewürm

Der Goldene Felsen war für mich in 20 Minuten abgevespert. Disneyland für Buddhisten. Der Felsen selbst ist ja ganz schön, wie er so vergoldet glänzend schepps über dem Abgrund hängt und doch nicht runter fällt. Aber überall sind Plattformen und Geländer und Pilger …. mir war da zu viel Trubel. Zum Glück habe ich erst beim Verlassen des Heiligtums das Schild gesehen, dass Frauen mit Hosen gar einen Einlass haben. Hat sich aber keiner beklagt, und wenn, hätte ich mich blöd gestellt.

Golden Rock

Golden Rock

Abends zurück in Kipun Camp (dem Pilger Ausgangspunkt) erlebte ich dann noch ein unerwartetes kulturelles Highlight: Eine Art gigantische Kirmes, die einmal im Jahr stattfindet, und zwar ausgerechnet als ich da war. Super! Schon auf dem Fußweg dahin hakten sich links und rechts junge Frauen bei mir ein und ließen mich nicht mehr los. Sie stellten mich stolz ihren Freundinnen vor und schleppten mich über die Kirmes. Ich kam mir schon selber vor wie eine Jahrmarktsattraktion, wie aus einer Freak-Show entlaufen – die „Dame ohne Unterleib“ oder die „Bärtige Frau“. Ich war die einzige Blondine, überhaupt die einzige Toristin aus westlichen Gefilden und wurde bestaunt wie das Achte Weltwunder. Das Fest selbst war absolut faszinierend – mit burmesischen Tanzvorführungen, Theater, Glücksspielen, Garküchen, Wahrsagern, und mobilen Tätowierern. Letzteres war besonders schockierend, weil die Burmesen von Hygiene offenbar noch nie was gehört haben. Der Tätowiervorgang fand auf dem dreckigen Boden sitzend, ohne Desinfektion und natürlich ohne frische Nadeln statt. Der Kunde setzt sich hin, zeigt auf das gewünschte Motiv und los geht’s.

Tattoo in Burma - nichts für Weicheier

Tattoo in Burma - nichts für Weicheier

Nach dem Besuch des Jahrmarkts begab ich mich auf Nahrungssuche, was gar nicht so einfach war. Wie gesagt: Hygiene ist in Burma kein Thema, daher stand ich dem Essensangebot sehr skeptisch gegenüber. Das sah weder sauber noch besonders frisch aus. Ich entschied mich vorsichtshalber für frittierte Tofustücke. Als ich aber zu meinem Entsetzen beobachten musste, wie die Verkäuferin den Tofubatzen mit ihren schwarzen vor Schmutz starrenden Fingern öffnete und mit dubiosen kalten Zutaten füllte, verging mir der letzte Appetit. Ich bezahlte und aß höflichkeitshalber die Hälfte mit ungutem Gefühl. Was soll ich sagen … sechs Stunden später: Brechdurchfall Teil 2. Zum Glück aber nur für ein paar Stunden, morgens war ich wieder fit genug für die nächste Busfahrt, Immodium akut in Griffweite.

Ich fuhr mit einem Pilgerbus zurück nach Yangon. Außer mir waren noch zwei schwer tätowierte und gepiercte Holländer aus Amsterdam an Bord, mit denen ich mich umgehend solidarisierte. Obwohl beim Ticketkauf von einer „Non-Stop-Fahrt“ die Rede gewesen war (weshalb ich extra nichts getrunken hatte) hielt der Bus alle naselang an einem Heiligtum, damit dieses angebetet werden konnte. Alle Pilger raus aus dem Bus, 20 Minuten beten, und wieder rein. Abends kamen wir ziemlich entnervt in Yangon an, ich checkte ins gleiche Hotel wie die Holländer ein (eine ziemliche Absteige, aber schön billig) und wir beschlossen, zusammen zu Abend zu essen. Und weil man sich ja sonst nichts gönnt, begaben wir uns ins „Strand Hotel“, dem besten Hotel von ganz Myanmar. Ja, ja, ich weiß – eigentlich ist das schon sehr dekadent in so einem armen Land, aber wann bekommt man schonmal die Gelegenheit, in einem Kolonialpalast von 1903, in dem schon Mick Jagger in der 950 Dollar teuren President Suite abgestiegen ist, zu Abend zu essen? Wir also zu dritt in den Speiseraum mit Teakholz Ventilatoren an der Decke, die beiden tätowierten Holländer mit Metallica T-Shirts und Badeschlappen an. Dort dinierten wir wie die Fürsten, während wir von einem Gitarristen sanft mit Richard Clayderman Songs anmusiziert wurden. Und trotzdem war der Spaß noch billiger als ein Abendessen in der „Roten Taube“ in Karlsruhe.

Am nächsten Tag wanderte ich nochmal kreuz und quer durch die Stadt. Beim Rückbestätigen meines Flugs im Bangkok Air Büro prallte ich quasi im Flur mit Klaus zusammen. Wir gingen dann abends noch zusammen einen Cocktail trinken und Abend essen. Ich wagte mich nooch ein letztes Mal in echte burmanische Spezialitäten: Salat aus fermentierten grünen Teeblättern (schmeckt modrig und gallenbitter) und klassische Mohingha (Nudel-Fischsuppe mit diversen Zutaten, die man selbst dazu gibt, z..B. Chillis, Ei, Knoblauch, Fischsauce, Erdnüsse etc.). Diesmal blieb der Magen ruhig.

Am Freitag flogen wir dann zusammen nach Bangkok zurück, Klaus hatte zufällig den selben Rückflug wie ich. Ich quartierte mich in einem für Bangkok relativ teuren Hotel an der Sukhumvit ein, dann gingen wir Pizza essen (ich kann keinen Reis mehr sehen).

Am nächsten Morgen, als ich gerade zum Bahnhof unterwegs war, um mein Zugticket nach Chiang Mai zu kaufen, ergab sich das erste größere Problem auf meiner Reise: Der Geldautomat fraß kommentarlos meine Visa Karte und spuckte sie nicht mehr aus. „Karte wird einbehalten“, und weg war sie. Und das am Samstag Morgen, wenn sowohl hier, als auch in Deutschland alle Banken zu haben. Super. Bevor ich die Karte nicht zurück habe, kann ich ja auch nicht weiter reisen, also musste ich Chiang Mai erstmal verschieben. Ich fand dank Internet und dank Telefon-Notruf raus, dass mir inzwischen eine neue VISA Karte nach Karlsruhe geschickt wurde und die alte ungültig ist. Ich machte einen ziemlichen Aufstand am Telefon, und die DKB Dame versicherte mir, dass die Karte reaktiviert wird. Jetzt muss ich hoffen, dass ich’s morgen irgendwie schaffe, an meine Karte ran zu kommen. Das wird ein Spaß werden.

Nachmittags traf ich mich zum Abschluss nochmal mit Klaus, dessen Rückflug nach München am nächsten Morgen ging. Wir fuhren zur grandiosen Moon Bar ganz oben im 61. Stock im Bayan Tree Bangkok Tower und genehmigten uns einige Drinks unter freiem Himmel. Eine Wahnsinns-Aussicht und ein spektakulärer Sonnenuntergang! Und ein ziemliches Kontrast Programm zu Myanmar.

Ein Drink in der Moon Bar. Man gönnt sich ja sonst (fast) nichts.

Ein Drink in der Moon Bar. Man gönnt sich ja sonst (fast) nichts.

Heute habe ich es eher ruhig angehen lassen. Habe endlich mal wieder ausgeschlafen, bin dann von der Sukhumvit nach Banglampoo umgezogen, weil es da viel billiger ist, habe auf gut Glück mein Zugticket gekauft, in der Hoffnung, das ich morgen abreisen kann – und seither spaziere ich in der Stadt umher, bin Boot gefahren, habe einen Markt besucht, war vegetarisch lecker essen und erfreue mich an der Stadt. Ich liebe Bangkok! Ich kann mich nicht sattsehen. Ich finde sogar das feucht-heiß-stickige Klima super. Und nach Burma genieße ich die Sauberkeit – niemand zieht lautstark seinen Rotz hoch und spuckt einem vor die Füße. Das war so ziemlich das einzige, was mir an Burma wirklich arg auf die Nerven gegangen ist. Das Rülpsen, Rotzen und Spucken, auch gerne im Restaurant. Das war schon extrem abstoßend.

Also denn, wenn alles gut geht bin ich übermorgen in Chiang Mai, wo ich auch Weihnachten feiern werde. Aber trotz der üppigen Weihnachtsdekoration und „Jingle Bells“ wo man geht und steht kommt bei mir überhaupt keine Weihnachtsstimmung auf. Wie auch, bei 32 Grad im Schatten. Aber das macht nichts, ich will mich wirklich nicht beklagen.



Superstädtle: Mawlamyaing

14 12 2009

Bin inzwischen in Südost-Myanmar unterwegs.

Vom Inle-See bin ich mit dem Bus durch die extrem serpentinenreichen Berge zunächst nach Bago gefahren. Die Fahrt war mal wieder ein Erlebnis ganz spezieller Art: Während die beiden jungen Männer vor mir sich schenkelklopfend und vor Lachen wild vor- und zurückwerfend über die per Video vorgeführte Familienkomödie auskippten, kotzte meine arme Sitznachbarin fast lautlos in ihre Plastiktüte und jammerte leise vor sich hin. Die Fahrt dauerte fast 12 Stunden. Gegen 5 morgens kam ich in Bago an und quartierte mich in einem ziemlich schäbigen Hotel ein.

Nachdem ich ein paar Stunden geschlafen hatte, checkte ich gleich wieder aus, da ich mich zur schnellstmöglichen Abreise entschlossen hatte. Ich kaufte gleich das nächste Busticket (wieder eine 12 stündige Fahrt über Nacht) und besichtigte bis zur abendlichen Abfahrt die Sehenswürdigkeiten der Stadt, d.h ca. ein Dutzend Pagoden und Tempel. Eigentlich wollte ich das alles zu Fuß machen. Zum Glück sprach mich aber ein cleverer älterer Moped-Taxi-Fahrer an. Er erklärte mir, dass man für die meisten Pagoden ein Sammelticket bräuchte, das 10 Dollar koste (prüfte ich im Reiseführer nach: korrekt). Er hingegen würde mich für 6 Dollar den ganzen Nachmittag von Pagode zu Pagode fahren und mich durch die Hintereingänge gratis reinschleusen. Und so machten wir’s auch. Bei jeder kostenpflichtigen Pagode freute er sich diebisch und rieb sich kichernd die Hände vor Freude, weil er die verhasste Regierung um die 10 Dollar für das Ticket gebracht hatte und ich die Pagoden trotzdem anschauen konnte.

Abends um halb 8 ging mein Bus nach Süd-Burma ab. Eine grausige Nachtfahrt mit stundenlangen Unterbrechungen wegen gesperrter Brücken und langen Passkontrollen. Um 6 kam ich völlig gerädert in Mawlamyaing am Golf von Mottama an. Ich ließ mich per Moped von Hotel zu Hotel fahren … alles ausgebucht, weil ein Thailändischer Minister mit seinem ganzen Tross zu Besuch in der Stadt war. Am Schluss landete ich in einer entsetzlichen Billig-Absteige. Gott sei Dank wurde ich in der Lobby beim Einchecken von einem freundlichen und lustigen Österreicher namens Klaus abgefangen. Er hatte schon zwei entsetzliche Nächte in der Absteige zugebracht und zog gerade in ein benachbartes Hotel um, wo noch Zimmer frei waren. Da schloss ich mich gleich an. Jetzt bin ich seit 3 Tagen in einem wunderbar komfortablen Zimmer im besten Hotel Süd-Myanmars. Es ist mit 20 EUR pro Nacht zwar doppelt so teuer wie alle anderen Hotels die ich bisher hatte – aber das gönne ich mir.

Die letzten Tage war ich mit Klaus in der Gegend auf Besichtigungstour: Einen Tag waren wir bei der Noa Labo Paya Pagode, ein bisher bei Touristen fast unbekanntes Naturwunder aus drei aufeinander stehenden vergoldeten Felsen hoch oben auf einem Berg. Wir waren ganz allein da oben, es gab gar keine Pilger.

Kaum bekanntes Heiligtum: Noa Labo Paya

Kaum bekanntes Heiligtum: Noa Labo Paya

Am Tag drauf waren wir einige Tempel, Pagoden und Klöster in und um Mawlamyaing anschauen – tolle Buddhas in allen Formen und Farben und viele andere Heiligtümer. Und natürlich jede Menge freundlicher Mönche.

Das Foto war die Idee der Mönche - auch wenn's nicht so aussieht.

Das Foto war die Idee der Mönche - auch wenn's nicht so aussieht.

Aber das allertollste ist Mawlamyaing selbst. Die Stadt gefällt mir viel besser als Yangon oder Mandalay. Sie liegt an der Mündung zweier großer Flüsse zwischen schönen grünen Hügeln mit vielen Palmen und goldenen Pagoden. Es gibt viele alte, heruntergekommene Kolonialbauten, Moscheen im Zuckerbäckerstil, und überall fahren nostalgische bunte Oldtimer-Busse mit Teakholz Karosserie herum, die noch aus Zeiten vor dem zweiten Weltkrieg stammen.

Hauptstraße von Mawlamyaing

Hauptstraße von Mawlamyaing

Natürlich gibt es auch viele tolle Märkte, Tempel, Teestuben und extrem freundliche Menschen. Die Stadt ist auch bei weitem nicht so laut und schmutzig wie die anderen Städte wo ich bisher war. Deshalb will ich hier auch ein paar Tage bleiben. Klaus ist heute abgereist, wir treffen uns in einigen Tagen in Yangon wieder, weil er zufällig mit dem selben Flug ausreist wie ich.

Nachdem sich Klaus heute Mittag verabschiedet hatte, bin ich auf eigene Faust los gestiefelt. Eigentlich wollte ich es sehr gemütlich angehen lassen, ein bisschen in der Stadt rumlaufen, mich dann irgendwo auf einem Hügel mit Blick über die Stadt in den Schatten setzen und lesen. Und nach Möglichkeit mit den Einheimischen in Kontakt kommen.

Letzterer Wunsch wurde mir schon nach 10 Minuten Spaziergang erfüllt. Ein Mann winkte mich zu sich heran, rief „Welcome, welcome, please, please“ und wies mir den Weg in ein Gebäude. Also schaute ich mal vorsichtig rein was es da gab. Drin war eine Hindu Hochzeit in Gang, die Gäste nahmen mich gleich in Empfang und bevor ich’s mich versah saß ich dem Brautpaar gegenüber an einem langen Tisch und wurde zum indischen Mittagessen eingeladen. Ohje ohje, dachte ich, wie komme ich aus der Nummer raus, mein Magen verträgt doch nichts. Vor mir wurde ein Bananenblatt ausgebreitet, darauf wurde aus Plastikeimern mit den bloßen Händen Reis und verschiedene Curry-Gerichte aufgehäufelt. Also gut dachte ich, ein bisschen was muss ich höflichkeitshalber essen. Ich probierte vorsichtig (mit der Hand, Besteck gab es nicht) – und ich muss sagen: Ich habe noch nie so leckeres indisches Essen gehabt. Ich vergaß alle Vorsicht und aß alles ratzeputz weg. Mittlerweile hatten sich um mich mehr Gäste versammelt als um das Brautpaar, was mir ziemlich peinlich war.

Die Hochzeit ist eine ernste Angelegenheit. (Aber nicht für mich.)

Die Hochzeit ist eine ernste Angelegenheit. (Aber nicht für mich.)

Eine freundliche Frau um die Fünfzig nahm mich unter ihre Fittiche, sie war Englischlehrerin und erklärte mir alles, was vor sich ging. Wir unterhielten uns eine Weile und als die Hochzeit vorbei war, bat sie mich, doch mit zu ihr nach Hause zu kommen und ihre Familie kennen zu lernen. Über die Einladung habe ich mich natürlich sehr gefreut! Wir fuhren also zu dritt per Moped in einen Vorort der Stadt in ihr bescheidenes Häuschen. Sie lebt dort mit ihrer Mutter, einem ihrer Brüder und einigen anderen weitläufigen Verwandten in einem winzigen Holzhaus. Als Lehrer verdient man in Myanmar umgerechnet 20 Dollar im Monat. Das reicht nichtmal hier zum Überleben. Also legen alle zusammen und kommen so irgendwie über die Runden. Strom gibt es nur alle paar Tage mal, wenn überhaupt. Gekocht wird auf dem Feuer. Es gibt kein Bad, man wäscht sich im Hof am Brunnen. Das Klo: Ein Bretterverschlag mit Loch im Boden. Es gibt einen großen Wohnraum und ein paar winzige Schlafkammern im zweiten Geschoss. Das Haus war aber sehr sauber und ziemlich gemütlich. Da saß ich also, umringt von ca. zehn Leuten und wurde über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Deutschland und Burma ausgefragt, sie wollten einfach alles wissen.

Meine Gastgeberinnen (mit Thanaka!)

Meine Gastgeberinnen (mit Thanaka!)

Ich erzählte also von Deutschland – vom Wetter (Schnee im Winter), dem Bildungssystem, der Krankenversicherung, der Scheidungsrate, der kaum vorhandenen Religiosität, davon dass es weder Bananen noch Palmen gibt (großes Erstaunen). Ich wurde gefragt, ob es bei uns auch so hässliche alte Busse gibt wie bei ihnen und ich sagte, dass ich die Oldtimer Busse total super finde. Da schrien sie vor Überraschung und Amusement.

Sie wollten auch wissen, ob es in Deutschland denn auch Armut gibt. Ohje, heikles Thema. Ich erzählte von Hartz IV und gab zu, dass eigentlich jeder ein Dach über dem Kopf hat, auch genug zu essen, sogar Strom und fließendes Trinkwasser, auch Schulbildung, medizinische Versorgung und ja, auch Fernsehen. Ich schämte mich fast, meinen Gastgebern sowas als „Armut“ zu verkaufen. Wie erwartet wurde mit ungläubigem Staunen reagiert, aber auch mit großer Erheiterung. Jedenfalls haben wir den ganzen Nachmittag über viel gelacht.

Also ich muss echt sagen: Hier lernt man einiges dazu und fängt ganz schnell an, sein Weltbild zu hinterfragen. Ich habe den allergrößten Respekt vor den Leuten hier. Trotz echt harter Lebensbedingungen sind sie immer freundlich und offen, haben allerbeste Umgangsformen, einen tollen Humor, sehr viel Würde und Anstand – und sind übrigens auch immer sauber und ordentlich gekleidet. Und die Freundlichkeit und Gastfreundschaft ist schier überwältigend. Die paar Stunden, die ich dort war, wurde ich nicht nur permanent mit Kaffee, Tee, Obst und Kuchen versorgt, sondern auch zweimal bekocht – zuerst gab es Mohinga, eine Nudelsuppe mit Fisch und Gemüse und zum Abendessen Reis mit verschiedenem Curry-Gemüse. Auch hier machte ich mir zunächst Sorgen um meinen Magen, aber das Essen war so unglaublich köstlich, dass ich mir nachschöpfen ließ, worüber sich die Familie maßlos freute. Abends brachte mich meine Gastgeberin dann an die Hauptstraße, und ließ es sich nicht nehmen, mir eine Moped-Mitfahrgelegenheit zu organisieren. Wahnsinn. Ich bin immer noch regelrecht erschüttert über so viel Gastfreundschaft und Warmherzigkeit.

Jetzt sitze ich in meinem Hotelzimmer, während direkt vor meinem Fenster eine Familienfeier mit ca. 300 Gästen steigt. Seit zwei Stunden sind Karaoke Auftritte bei maximaler Lautstärke und mit minimalem Gesangstalent im Gang. Ohrenbetäubend, trotz Oropax. Aber ich habe heute Toleranz und Demut gelernt…



Kaffeefahrt auf dem Inle See

9 12 2009

Bin jetzt seit 3 Tagen am Inle See.

Meinen letzten Tag in Mandalay habe ich wieder Maung als Führer gebucht. Den Vormittag hat er mich mit seiner Trishaw (Fahrradrikscha) durch die Stadt gegondelt, um diverse Erledigungen zu machen, z.B. Geld wechseln (diesmal korrekt), Busticket kaufen, Versandkosten abchecken (nicht bezahlbar). Dann entschloss ich mich spontan, doch noch einen Abstecher nach Pyin U Lwin zu machen, das ist ein Ort zwei Stunden weg von Mandalay in den Bergen. Maung organisierte flugs einen Fahrer und los ging`s. Ich finde ja immer auch die Überlandfahrten sehr kurzweilig, daher haben mir die vier Stunden in dem klapprigen Pickup gar nichts ausgemacht. Pyin U Lwin war ganz interessant wegen der Kolonialhäuser und vorallem wegen der Westernstadt-artigen Pferdekutschen. Das war auch ehrlichgesagt der Hauptgrund für mich gewesen, die Stadt zu besuchen. Leider nahm Maung mittlerweile seine Rolle als Führer so ernst, dass er mir jede Entscheidung abnahm und eine Kutsche auswählte, die mir gar nicht richtig gefiel, weil sie nicht bunt genug war. Außerdem war das Pferd so klein und klapprig, das arme Tier. Ich war aber zu dem Zeitpunkt schon so mürbe, dass ich keinen Bock auf Widerstand hatte.

Meine Kutsche mir mir drin

Meine Kutsche mir mir drin

Also fuhren wir mit der Kutsche seiner Wahl in den Botanischen Garten (den ich gegen seinen Willen durchsetzte!), der aber außer ein paar schlappen Petunien gar keine Blumen enthielt. Und dafür 5 Dollar Eintritt … hätte ich doch mal auf Maung gehört. Er kaufte mir dann zum Trost auf dem Markt zwei große Dosen stark pafümiertes Thanaka „ready made“, ein Halbjahresvorrat wie er stolz verkündete. Hab ich mich gefreut.

Danach ging’s zurück nach Mandaly an den chaotischen und vor Dreck starrenden Busbahnhof. Man macht sich kein Bild, wie da die Klos aussehen, bevor man nicht selber dort war. Die Busfahrt ging um halb 7 los und dauerte 10 Stunden. Dann war ich nach einer eisig kalten Motorrad-Pickup Fahrt um halb 5 in Nyaug Shwe wo ich mir mit etwas Mühe ein Zimmer nahm, da zum ersten Mal Hotels tatsächlich ausgebucht waren. Super, dachte ich, endlich mal ein paar Touristen! Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich die mal vermissen würde.

Nach einem Schläfchen wetzte ich los, weil ich unbedingt den berühmten See sehen wollte. Der ist aber einige Kilometer weg von Nyaug Shwe, also mietete ich mir wieder ein Fahrrad. Da hatte ich endlich Gelegenheit zu einer Demonstration westlicher Frauenemanzipation: Man wollte mir nämlich das von mir ausgewählte Herrenfahrrad verweigern. Ich solle doch lieber eines der ollen klapprigen Damenräder nehmen. Ich wollte aber das schicke Herrenrad. Das ging hin und her („I want this one!“wie der Rollstuhlfahrer bei „Little Brittain“). Am Ende siegte meine Beharrlichkeit und unter dem schamhaften Gekicher des Fahrradverleihers radelte ich auf meinem schönen Fahrrad mit Mittelstange davon.

Hart erkämpft: Mein Herrenrad

Hart erkämpft: Mein Herrenrad

War auch die absolut richtige Wahl, ich fuhr damit fast 20 km am See entlang, ohne den See allerdings auch nur einmal zu sehen. Nur Zuckerrohrfelder, Bambuswälder, Dörfer – aber vom Inle See keine Spur. Ich zweigte dann zu einem der Superluxus-Resorts ab, um dort auf der Restaurant Terrasse einen Saft zu trinken und endlich den eher unspektakulären See anzuschauen. Sah auch nicht anders aus als der Neureuter Baggersee, nur größer.

Am nächsten Tag buchte ich dann eine Ganztagestour mit Longboat auf den See (wie gehabt: ich hatte das Boot ganz für mich allein). Bitterkalt war das, ein Glück habe ich so viele Fleece Pullis dabei! Auf dem See konnte ich dann endlich die berühmten Einbeinruderer bei der Arbeit sehen. Das sieht bizarr aus. Die haben einen übermenschlichen Gleichgewichtssinn. Sie stehen hinten auf dem Heck ihres Bötchens auf einem Bein, das andere winden sie um ein einziges Ruder, strecken es nach hinten weg und machen so kreisende Bewegungen mit diesem Bein mitsamt Ruder so dass es wie ein Propeller das Boot antreibt. Keine Ahnung warum die das so umständlich machen, aber wird schon seinen Grund haben. Sieht jedenfalls ganz nett aus.

Hier mal ohne Beinruder: Fischer auf dem Inle-See

Hier mal ohne Beinruder: Fischer auf dem Inle-See

Dann gings auf einen sehr asiatischen Markt, wo das Gemüse noch mit richtigen altmodischen Waagen mit Gewichten abgewogen wird. Da kommt man sich mal wieder vor wie bei einer Zeitreise, das laute Gefeilsche, die runden Hüte, die Betelspucke, die merkwürdigen Sachen, die’s teilweise zu kaufen gibt, dazwischen rennen Hunde, Hühner und Schweine rum, dann wieder Teestuben und Garküchen … ein Traum.

Hier landen die Fische der Beinruderer

Hier landen die Fische der Beinruderer

Nach dem Markt schipperte mich mein Kapitän zu diversen Handwerksbetrieben, z.B. Weberei, Schmiede, Sonnenschirmhersteller, Silberschmiede, Zigarrenroller usw. Das war dann ziemlich Kaffeefahrt-mäßig. Man bekam kurz den Prozess erklärt, dann gings direkt weiter in den Verkaufsraum. Naja. Immerhin habe ich da zwei echte Langhalsfrauen gesehen. Eigentlich leben sie in den Bergen im Norden, aber weil sie mit Touristen so viel Geld verdienen, tummeln sie sich mittlerweile da, wo Touristen sind, also im Verkaufsraum des Sonnenschirmherstellers. Aber es war auf jeden Fall mal interessant die Frauen live zu sehen, mit ihnen rumzuflachsen und so eine Original Messingspirale hochzuheben – das Ding wiegt 8 kg. Mir wurde erklärt, dass die Ringe ursprünglich die Trägerinnen vor Tigerattacken in den Bergen schützen sollten. Hmm, ob das mal stimmt.

Nur die linke Langhalsfrau ist echt, die anderen drei tun nur so

Nur die linke Langhalsfrau ist echt, die anderen drei tun nur so

Dann waren wir im „Kloster der springenden Katzen“. Die Katzen hatten aber keine Lust durch die Reifen zu springen, angeblich waren sie krank. Ich glaube aber, dass die Arbeitsunlust damit zusammen hing, dass die Katzen lieber ihrem Sexualtrieb nachgingen – beim Ausleben desselben konnte ich sie jedenfalls im Nebenraum ausgiebig beobachten. Nach vollzogenem Akt raste die Kätzin in das Kloster zurück und rollte sich wie wild über den Boden vor den Buddhas, woraufhin die Touristen verzückt schrien „Schau! Die is dressiert!“ und viele Fotos knipsten.

Beim Abendessen lernte ich einen freundlichen und lustigen Australier kennen, mit dem ich bis Kneipenschluss (also bis halb elf) Cuba Libre trank. Mit ihm habe ich dann gestern eine sportliche Fahrradtour zu den Heißen Quellen unternommen. Da drin saßen wir dann mehrere Stunden bei Limo und unterhielten und mit diversen anderen Gästen, unter anderem mit einer Belgierin, die ungelogen eine hellgrüne Hautfarbe hatte. Danach unternahmen wir noch eine Kanufahrt in die Inle Seitenkanäle. Immer wieder verblüffend wie die Leute hier am Wasser leben, unter was für einfachen Bedingungen – und wie normal und freundlich sie immer sind und wie zufrieden sie wirken. Kaum mal ein grantiges Gesicht.

Eigentlich wollte ich heute nach Toungoo weiter fahren, um Arbeitselefanten beim Bau eines Stausees zu beobachten. Leider habe ich aber erfahren müssen, dass das Camp zur Zeit geschlossen ist, die Elefanten haben frei. Also fahre ich in zwei Stunden weiter nach Bago, der alten Hauptstadt der Mon. Und von da … mal schauen.



Road to Mandalay

5 12 2009

Ich bin jetzt seit 3 Tagen in Mandalay. Die Bootsfahrt von Bagan hierher war sehr exklusiv – ich hatte das Passagierschiff „Malikha II“, das für 130 Passagiere ausgelegt ist, ganz für mich allein. Ich war sage und schreibe der einzige Fahrgast, 7 Servicekräfte waren für mich da und boten mir alle 30 Minuten Tee und Kaffee an („It’s for free!“). Die Fahrt ging morgens um halb 6 zum Sonnenaufgang los, gemütlich mit 16 Knoten den Ayeyarwady hoch. Das ist ein Fluss ungefähr so breit wie der Rhein, und man kann schön das Leben der Leute am Fluss beobachten, wie sie sich und ihre Wäsche waschen, Wasser in großen Töpfen auf dem Kof abtransportieren, wie ihre Zeburinder am Fluss trinken, die Kinder im Wasser baden … und alle winken, wenn man vorbei schippert. Abends kurz nach Sonnenuntergang waren wir in Madalay.

Der legendäre Ayerawady von meinem Privatschiff aus

Der legendäre Ayerawady von meinem Privatschiff aus

Ich nahm mir am Hafen eine Trishaw – das ist eine Fahrradrikscha wo der Fahrgast in einer Art Beiwagen rechts neben dem Fahrer sitzt – und ließ mich zum Hotel meiner Wahl karren, ins Hotel „Nylon“ (wurde im Loose empfohlen). Ist ganz ordentlich, mit schönem eigenem Bad (wobei schön relativ ist), großem Doppelbett, TV, AirCon etc für 6 EUR inkl. Frühstück. Da kaum Touristen in Burma sind, hat man immer die freie Wahl. Man muss nie was vorreservieren, immer ist alles frei.

Am nächsten Tag schaute ich mir die Stadt erstmal zu Fuß an, musste aber leider feststellen, dass der klangvolle Name etwas irreführend ist. Die Stadt ist ziemlich laut, staubig bis schmuddelig und insgesamt irgendwie nicht so atmosphärisch wie Yangon. Trotzdem fühle ich mich auch hier ganz wohl, das Leben findet auf der Straße statt und man hat immer was zu gucken. Ich steuerte als erstes das exklusivste Kaufhaus der Stadt an, weil ich nach meinem Siechtum in Bagan einen Wahnsinnsheißhunger auf Schokolade, Kekse und Cola hatte. Das fand ich da auch alles, ich gönnte mir eine Rittersport Marzipan, die mit ihren 3 Dollar so viel kostete wie ein Arbeiter hier am ganzen Tag verdient. Sorry, konnte ich keine Rücksicht drauf nehmen.

Dann wanderte ich in das Viertel der Goldschläger. Das ist ein unglaublich anstrengendes schweißtreibende Handwerk, bei der in einem aufwändigen Verfahren mit schweren Hämmern aus Minigoldbarren die hauchdünnen Goldfolien gehämmert werden, die von Gläubigen Buddhisten gekauft und auf Heiligtümer geklebt werden. Beim Anblick der Arbeiter würden jedem Arbeitsschutzbeauftragten die Haare zu Berge stehen. Barfuß und ohne jeden Ohrschutz hämmern die stundenlang auf das Gold ein, das ist ohrenbetäubend laut. Aber die Jobs sind total begehrt.

Dann war ich im Mahamuni Tempel, wo die Goldfolienplätchen direkt an den Mann gebracht werden. Die Buddhastatue dort ist eine der heiligsten auf der Welt, sie soll von Buddha selbst geweiht worden sein, vor über 2000 Jahren. Die Gläubigen pilgern scharenweise in den Tempel und bekleben die Statue mit dem Blattgold, so dass ihre Form mittlerweile bis zur Unkenntlichkeit deformiert wurde. Die Hände kann man schon gar nicht mehr sehen. Nur das Gesicht ist noch so wie früher, da darf keiner ran. Und unter dem Kopf dann dieser riesige, unförmige, hubbelige Goldleib. An manchen Stellen ist die Goldschicht 45 cm dick. Man schätzt, dass da so um die 12 Tonnen Gold dran kleben. Hätte ja auch gerne mitgemacht, aber leider bleibt das Vergnügen den Männern vorbehalten. Frauen dürfen die Statue nur von Weitem anbeten.

Der heiligste Buddha im Land, unförmig vor lauter Goldgaben

Der heiligste Buddha im Land, unförmig vor lauter Goldgaben

Von da habe ich mich per Trishaw an den Mandalay Hill fahren lassen und bin die fast 1000 Stufen auf den Berg hochgestiegen. Unterwegs kann man sich schön auf den vielen Bänkchen ausruhen und Getränke kaufen, man kann’s also ganz gemütlich angehen lassen (was ich auch getan hab). Unterwegs gibt’s dann auch noch viele Buddhastatuen und andere Sachen anzugucken. Von oben hat man dann einen tollen Blick über die Stadt und den Ayayarwady. War gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang da, sehr pittoresk.

Als ich wieder unten ankam bot sich mir ein neuer Trishaw Fahrer an, der sich als Maung Win Nying vorstellte und der stolz angab, dass Loose ihn persönlich empfehle. Was tatsächlich stimmte. Er sprach ganz gut englisch, war sehr nett und hilfsbereit … also engagierte ich ihn für den restlichen Abend und den ganzen nächsten Tag. Er brachte mich in mein Wunschlokal (wo ich mal wieder der einzige Gast war) und danach ins Marionetten Theater. Ich hab mir gedacht: Wenn man schon in Burma ist, gehört eine klassische Marionetten Aufführung einfach dazu. Das war auch wirklich total toll, sehr kunstvolle Puppen, ein eigenes kleines Orchester, das total schräge Musik gespielt hat und dazu die wild rumtanzenden Marionetten. Leider kann man die gespielten Geschichten irgendwie so gar nicht nachvollziehen, aber egal. Die Show ging eine Stunde, danach brauchte ich Ruhe. Maung radelte mich dann in mein Hotel zurück.

Bizarre Marionetten-Show

Bizarre Marionetten-Show

Dort holte er mich um 9 heute morgen ab und fuhr mich mit seinem kleinen blauen Mazda Taxi in der Umgebung von Mandaly rum. Zuerst zeigte er mir in und um Mandalay die verschiedenen Viertel der Kunsthandwerker – Marmor Steinmetze, Holzschnitzer, Seidenweber usw. Man wird ganz wahnsinnig, weil es so unglaublich tolle Sachen zu so total unglaublich günstigen Preisen gibt – aber wie soll man das ganze Zeug schleppen?? Und mit der Post schicken ist ziemlich teuer.

Mein Taxi und ich hinten drauf

Mein Taxi und ich hinten drauf

Anschließend fuhren wir nach Sagaing, wo ein unangekündigter Marsch verschiedene Berge rauf und runter anstand. Er mit seinen strammen Trishaw Waden hatte da ja kein Problem mit, aber ich …. ich hätte nach 2 Stunden Besichtigungstour gerne mal interessehalber meinen Blutzuckerspiegel gemessen. Ich sah schon doppelt vor Hunger und Erschöpfung. Diesen Zustand überwand ich kurzfristig beim grausigen Anblick einer in einem Glaskasten ruhenden Mönchsmumie. Der Mann ist seit 24 Jahren tot und sieht ganz ausgetrocknet aus …. und seit 24 Jahren wachsen seine Haare und Nägel weiter, so dass sein Kopf alle 2 Monate geschoren werden muss, was die Mönche des benachbarten Klosters gerne übernehmen. Das ist ja mal wieder ne Story nach meinem Geschmack.

In einem der Tempel könnte man sich gratis an Thanaka bedienen, das ist die bereits erwähnte gelbliche Holzpaste, die sich die Frauen hier ins Gesicht schmieren. Mein Führer bestand darauf, dass ich das doch mal ausprobieren sollte, nur ganz wenig, also sagte ich okay. Er rieb die Holzstücke mit Wasser auf einer Marmorplatte zu einem gelben Brei und fing an, mir den Pamp ins Gesicht zu schmieren. Von wegen dezent. Bevor ich protestieren konnte, trug er das Zeug großzügig flächig auf dem ganzen Gesicht auf, sogar auf den Augenlidern. Man kann hier ja auch nichts ablehnen, das ist grob unhöflich. Er war so begeistert, da wollte ich ihm die Freude nicht nehmen. Alla, wenn’s schee macht. Nach 10 Minuten fing der Brei aber an zu trocknen und wurde ganz starr, so dass ich kaum noch in der Lage war zu sprechen oder irgendwelche Mimik zu äußern. Super. So sollte ich dann den ganzen Tag rumlaufen. Als mich Maung am Gesicht rumpuhlen sah, rief er immer gleich „No no no, it’s very goog! It’s cooling! Leave it on!“ Also wurde ich die Maske nach und nach heinlich los, immer wenn er nicht hinschaute kratzte ich Schicht für Schicht ab. Abends war ich fast Thanaka-frei. Ich bereue, dass ich kein Foto gemacht habe.

Anschließend ging’s weiter nach Amarapura wo eines der Myanmar Highlights zu besichtigen ist: Die U-Bein Brücke. Das ist mit 1,2 km die längste Teakholzbrücke der Welt und wirklich toll anzuschauen. Nur Fußgänger sind darauf unterwegs um den Taungthaman See zu überqueren, die Landschaft ist wie aus dem Bilderbuch und auch die Leute auf der Brücke sind sehr interessant – viele Mönche in ihren roten Roben, Frauen mit Kopflasten, Kinder in Schuluniformen und auch einige Devotionalienverkäufer. Und auch einige bettelnde Leprakranke, die einem ihre grausigen Stümpfe entgegen strecken. Wahnsinn, ich hatte gar nicht gewusst, dass es diese Krankheit noch gibt! Habe versucht, jedem was zu geben, bis mein Kleingeld alle war. Mensch die armen Leute! Was mir außerdem ein Dorn im Auge war, waren die Eulenverkäuferinnen. Die stehen da mit kleinen geflochten Käfigen voller Eulen in der prallen Sonne. Es ist für Buddhisten eine gute Tat, so einen Vogel frei zu kaufen und fliegen zu lassen. Gibt gutes Karma und bringt Freiheit und Glück. Oh Mann. Ich weiß, man soll das ja nicht unterstützen, aber ich konnte nicht anders …. am liebsten hätte ich alle Eulen frei gekauft, habe dann aber nur eine frei gelassen. Oh Man oh Mann, da kauft man für einen Euro eine Eule frei, während einem die Leprakranken dabei zuschauen, die das Geld ja auch gut brauchen könnten. Aber die haben zustimmend genickt, also hatte ich kein schlechtes Gewissen. Also echt, hier sieht man schon Sachen …

Maug und ich auf der Brücke

Maung und ich auf der Brücke

Blick von der Brücke. John Deere ist hier unbekannt.

Blick von der Brücke. John Deere ist hier unbekannt.

Aber ich glaube, das am häufigsten fotografierte Motiv auf der Brücke war: ich. Zeitweise wurde ich von Gruppe zu Gruppe weiter gereicht. Die Leute fragten höflich an, scharten sich dann um mich, hielten mit mir Händchen und verbeugten sich anschließend überschwänglich. Ich weiß auch nicht was die dazu treibt, vielleicht finden die mich total bizarr, weil ich so riesig bin im Vergleich. Ständig sprechen mich die Leute an und stellen mir höflich sehr indiskrete Fragen, z.B. wie alt ich bin und ob ich Single bin. Aber nicht nur Männer, auch Frauen fragen das. Dann nicken sie wissend, bedanken und verabschieden sich. Ein komisches Gefühl (aber auch irgendwie gut).

Morgen habe ich Maung Win Nying nochmal gebucht. Er zeigt mir noch ein paar Sachen, und will mich auch zu fairen Geldwechslern bringen. Mal schauen, ob ich dann morgen Nachmittag weiter reise oder noch einen Tag da bleibe. Ist das schön, wenn man so ganz spontan planen kann!



Bagan

1 12 2009

Bin seit vier Tagen in Bagan. Aber erstmal eine kurze Schilderung der Anreise: Los ging’s am Donnerstag um vier aus Yangon mit dem Nachtbus, 14 Stunden Fahrt mit einem Bus voller Asiaten, ich die einzige Wetslerin an Bord. Wie befürchtet wurde gleich mal eine DVD eingelegt, ein Live-Mitschnitt der burmesischen Superstars „Iron Cross“, die Hits wie „The Summer of 69“ oder „La Isla Bonita“ auf burmesisch covern und als ihre eigenen Kreationen verkaufen. Tatsächlich sind fast alle Burmesen jeder Alterstufe Fans der Band und total stolz drauf, dass ihr Land so tolle Musik hervorgebracht hat. Danach wurde eine züchtige Soap-Opera billigster Machart vorgeführt, und zu fortgeschrittener Stunde, als ich eigentlich schlafen wollte, kamen dann die Kung Fu Filme, wo sich kleine Männer unter ohrenbetäubendem Gekreische und Gebrülle gegenseitig aufs Maul hauten. Gegen zwölf war dann Ruhe und man konnte schlafen. In jeweils ca. 2 stündigen Intervallen, dann kam wieder ein militärischer Kontrollposten, der mich an die DDR erinnerte, und alle mussten ihre Pässe zeigen. Mir kam es so vor als hätten die Kontrollettis noch nie nen deutschen Pass gesehen, sie fragten misstrauisch wo ich her sei und wie ich heiße und was ich wolle. Aber sie ließen mich zum Glück weiter reisen, nachdem sich mich als „Marion Andrea“ in ihre Liste eingetragen hatten. Die Fahrt war auf jeden Fall jeden Pfennig wert, eine echte Erfahrung – von der Videodarbietung über meinen grenzdebilen Sitznachbarn, der mich immer mit seinen knallroten Betelzähnen angrinste über die Reifenpannen, den Motorschaden, das schmuddelige Restaurant, in dem wir Abendessen sollten bis zu den Militärposten. Echt Burma.

Morgens um 6 kamen wir in Bagan an. Ich ließ mich per Pferdekutsche (dem Hauptverkehrsmittel hier!) in das Guesthouse meiner Wahl im Ort Nyaung-U fahren, das auch wirklich sehr gemütlich, zentral und billig ist (ca. 8 EUR inkl. AC, eigenem Bad, TV). Nach einer kurzen Verschnaufpause schnappte ich mir eine neue Kutsche, mietete diese gleich mal für den ganzen Tag (7 EUR) und ließ mich gemütlich ins Pagodenfeld kutschieren.

Blick vom Hotel: fast nur Kutschen unterwegs

Blick vom Hotel: fast nur Kutschen unterwegs

Ich bin jetzt seit vier Tagen in Bagan, und kann ohne zu übertreiben sagen, dass das der schönste Ort ist, den ich je gesehen habe. Man könnte heulen, so unglaublich schön ist das.

Auf einer Fläche von ca. 40 Quadratkilometern stehen heute noch 2230 Pagoden, Tempel und Stupas. Das Land selbst ist relativ trocken mit Palmen, Kakteen und Sesamfeldern, und alle paar hundert Meter steht so ein Bauwerk aus rötlichem Stein. Wenn man da hoch steigt und sich umschaut ragen überall die spitzen Monumente aus der Landschaft, soweit das Auge reicht. Unglaublich.

Am zweiten Tag bin ich schon um 5 aufgestanden, habe mir ein klappriges Rad geliehen und bin in der Dunkelheit zur Tayokpye Pagode gestrampelt, um den Sonnenaufgang anzuschauen. Leider können weder Worte noch Fotos auch nur ansatzweise wiedergeben, wie schön das wirklich aussieht. Hier mal ein paar Impressionen:

Sonnenaufgang - fast schon kitschig

Sonnenaufgang - fast schon kitschig

Und das 360 Grad rundum

Und das 360 Grad rundum

Ich war wirklich da

Ich war wirklich da

Nachmittags habe ich mir von einem 14-jährigen Jungen namens Lin Lin, den ich unterwegs kennengelernt hatte, die Highlights zeigen lassen. Wir sind zusammen mit dem Fahrrad durch die Gegend gefahren und er hat mir alles erklärt. Zum Dank habe ich ihm einige seiner Bilder abgekauft, das hat ihn so gefreut, dass er auf der ganzen Heimfahrt gesungen hat.

Gestern bin ich dann wieder auf eigene Faust rumgefahren, habe mich ein bisschen im Dorf umgeschaut und nachmittags vier Stunden auf meiner Lieblingspagode gesessen, gelesen und die Bauern bei der Ernte beobachtet. Wie bei uns vor 100 Jahren, mit Ochsenkarren und Dreschflegeln. Dabei haben sie viel gelacht und gesungen. Die Menschen sind hier zwar teilweise extrem arm – aber von Elend keine Spur, jedenfalls nicht hier in Bagan. Wo man hinschaut freundliche Gesicher, höfliche Umgangsformen, viel Gelächter und Zusammenhalt. Mir kommen die Leute überhaupt nicht unglücklich oder unzufrieden vor –  jedenfalls weniger als bei uns. Ich fühle mich jedenfalls sehr wohl hier.

Gestern lernte ich dann in meinem Guesthouse einen älteren Frankfurter namens Alexander kennen, der gerade dabei war, im Hinterhof einen Kartoffelsalat und Fischsuppe zu kochen. Er meinte, man können sich auf die Hygiene in den Restaurants ja nicht verlassen, daher koche er generell immer alles selbst. Morgens war er auf dem Markt gewesen, hatte frischen Fisch und Gemüse gekauft und den bereite er jetzt zu. Er lud mich zum Mitessen ein, was ich auch tat.

Seit gestern Abend liege ich jetzt mit Brechdurchfall, Schüttelfrost und Bauchkrämpfen auf meinem Zimmer. So viel zum Thema Hygiene. Mittlerweile geht’s zum Glück wieder besser. Die Hotelinhaberin hat irgendwann auch geklopft weil ihr aufgefallen war, dass ich noch nicht aus meinem Zimmer aufgetaucht war. Sie hat mich dann mit Tee und Elektrolytpulver versorgt, die Gute.

Schade, eigentlich wollte ich ja morgen einen Tagesausflug zum Mount Popa machen, da ist morgen ein Spektakel zu Ehren der Nats (Geister), mit Tausenden von Pilgern. Wäre bestimmt sehr interessant geworden, aber ich traue mich noch in keinen Bus. Jetzt mal abwarten wie’s mir morgen geht und ob ich das Haus verlassen kann.Und wenn alles gut geht, werde ich wohl wie geplant am Mittwoch per Schiff nach Mandalay weiter reisen. Schade eigentlich. Hier in Bagan hätte ich’s auch noch ne Weile aushalten können.