Kirmesattraktionen in Südburma
20 12 2009Seit vorgestern bin ich wieder in Bangkok, habe also mein Burma Abenteuer heil überstanden. Und ich kann nur jedem empfehlen, dieses wunderbare Land mit seinen unglaublich freundlichen Leuten selbst mal zu besuchen – auch wenn Regime-Gegner zu einem Reiseboykott aufrufen. Das nutzt den Leuten da überhaupt nichts.
Am Tag nach der Hindu Hochzeit habe ich einen Ausflug zum größten liegenden Buddha der Welt gemacht, der sich gerade im Bau befindet. Ein bizarres architektonisches Meisterwerk: Von außen Buddha, von innen Geisterbahn. Das Böse und das Leid in der Welt wurde in düsteren, aufeinander folgenden Kammern und auf mehreren durch enge Treppen verbundene Ebenen dreidimensional dargestellt, mit Teufeln, einander auffressenden Monstern, blutrünstigen Geiern, den den Menschen die Augen auspicken uns so weiter.

Geisterbahn im Bauch des Buddha
Dazwischen stehen Zementsäcke, Betonmischmaschinen und allerhand Baumaterial. Und jede Menge barfüßige Pilger. Beim Ausgang wurde ich von einem Mönch im barschen Befehlston aufgefordert, einen Beitrag zum Bau des Heiligtums zu leisten. Ich habe für 60 Cent eine rote Kachel gestiftet, die ein winziges Fragment im Buddha-Gewand sein wird. Sogar mit Zertifikat. Das gibt mal wieder Super Karma!
Am folgenden Tag wollte ich noch mehr für’s Karma tun und bin nach Norden zum Goldenen Felsen gefahren, einer der wichtigsten Pilgerziele in Burma. Das war auch echt ein Erlebnis, jedenfalls der Weg bis zum Heiligtum. Zuerst muss man auf der Ladepritsche eines offenen Pilger LKWs ca. eine Stunde den Berg hochfahren. Die quetschen da so viele Leute hintendrauf, wie irgendwie rein passen und los geht’s mit atemberaubender Geschwindigkeit, dass es einen wie wild hin und her beutelt. Später bei der Abfahrt ging’s so zackig über Kuppen und in Kurven, dass ich mehrmals mit dem Hintern vom Sitz abgehoben bin. Die „Wilde Maus“ auf der Mess‘ ist ein Scheiss dagegen!

Achterbahn zum "Golden Rock"
Der LKW lädt einen am Startpunkt des Pilgerpfades am Berg ab, dann muss man noch ca. 45 Minuten eine ganz schlimm steile Straße hoch laufen. Oder sich per Sänfte von vier starken Burmesen hoch tragen lassen. Die Versuchung war groß, aber ich habe widerstanden. Ist auch besser für’s Karma, wenn man zu Fuß geht. Und ich kann stolz berichten, dass ich trotz maroden Knien und Badelatschen von allen Busmitfahrern am schnellsten oben war! Ein Wunder!!
Besonders bizarr und daher sehenswert sind die Verkaufsstände mit Chinesischer Medizin auf dem Weg hoch zum Goldenen Felsen. Lauter Wurzeln, Knollen und Beeren, dazwischen getrocknete Flughörnchen, Sud aus Skorpionen und Tausendfüsslern und anderem Gewürm. Erst seit kurzem werden Zutaten wie Tigerpenisse, Bärentatzen und Affenschädel nicht mehr öffentlich zur Schau gestellt sondern nur noch unter der Ladentheke verkauft. Die Chinesen sind da ganz wild drauf, weil es gut für die Potenz ist. Asiaten scheinen ja mit der Manneskraft ein ernstes Problem zu haben.

Medizin aus giftigem Gewürm
Der Goldene Felsen war für mich in 20 Minuten abgevespert. Disneyland für Buddhisten. Der Felsen selbst ist ja ganz schön, wie er so vergoldet glänzend schepps über dem Abgrund hängt und doch nicht runter fällt. Aber überall sind Plattformen und Geländer und Pilger …. mir war da zu viel Trubel. Zum Glück habe ich erst beim Verlassen des Heiligtums das Schild gesehen, dass Frauen mit Hosen gar einen Einlass haben. Hat sich aber keiner beklagt, und wenn, hätte ich mich blöd gestellt.

Golden Rock
Abends zurück in Kipun Camp (dem Pilger Ausgangspunkt) erlebte ich dann noch ein unerwartetes kulturelles Highlight: Eine Art gigantische Kirmes, die einmal im Jahr stattfindet, und zwar ausgerechnet als ich da war. Super! Schon auf dem Fußweg dahin hakten sich links und rechts junge Frauen bei mir ein und ließen mich nicht mehr los. Sie stellten mich stolz ihren Freundinnen vor und schleppten mich über die Kirmes. Ich kam mir schon selber vor wie eine Jahrmarktsattraktion, wie aus einer Freak-Show entlaufen – die „Dame ohne Unterleib“ oder die „Bärtige Frau“. Ich war die einzige Blondine, überhaupt die einzige Toristin aus westlichen Gefilden und wurde bestaunt wie das Achte Weltwunder. Das Fest selbst war absolut faszinierend – mit burmesischen Tanzvorführungen, Theater, Glücksspielen, Garküchen, Wahrsagern, und mobilen Tätowierern. Letzteres war besonders schockierend, weil die Burmesen von Hygiene offenbar noch nie was gehört haben. Der Tätowiervorgang fand auf dem dreckigen Boden sitzend, ohne Desinfektion und natürlich ohne frische Nadeln statt. Der Kunde setzt sich hin, zeigt auf das gewünschte Motiv und los geht’s.

Tattoo in Burma - nichts für Weicheier
Nach dem Besuch des Jahrmarkts begab ich mich auf Nahrungssuche, was gar nicht so einfach war. Wie gesagt: Hygiene ist in Burma kein Thema, daher stand ich dem Essensangebot sehr skeptisch gegenüber. Das sah weder sauber noch besonders frisch aus. Ich entschied mich vorsichtshalber für frittierte Tofustücke. Als ich aber zu meinem Entsetzen beobachten musste, wie die Verkäuferin den Tofubatzen mit ihren schwarzen vor Schmutz starrenden Fingern öffnete und mit dubiosen kalten Zutaten füllte, verging mir der letzte Appetit. Ich bezahlte und aß höflichkeitshalber die Hälfte mit ungutem Gefühl. Was soll ich sagen … sechs Stunden später: Brechdurchfall Teil 2. Zum Glück aber nur für ein paar Stunden, morgens war ich wieder fit genug für die nächste Busfahrt, Immodium akut in Griffweite.
Ich fuhr mit einem Pilgerbus zurück nach Yangon. Außer mir waren noch zwei schwer tätowierte und gepiercte Holländer aus Amsterdam an Bord, mit denen ich mich umgehend solidarisierte. Obwohl beim Ticketkauf von einer „Non-Stop-Fahrt“ die Rede gewesen war (weshalb ich extra nichts getrunken hatte) hielt der Bus alle naselang an einem Heiligtum, damit dieses angebetet werden konnte. Alle Pilger raus aus dem Bus, 20 Minuten beten, und wieder rein. Abends kamen wir ziemlich entnervt in Yangon an, ich checkte ins gleiche Hotel wie die Holländer ein (eine ziemliche Absteige, aber schön billig) und wir beschlossen, zusammen zu Abend zu essen. Und weil man sich ja sonst nichts gönnt, begaben wir uns ins „Strand Hotel“, dem besten Hotel von ganz Myanmar. Ja, ja, ich weiß – eigentlich ist das schon sehr dekadent in so einem armen Land, aber wann bekommt man schonmal die Gelegenheit, in einem Kolonialpalast von 1903, in dem schon Mick Jagger in der 950 Dollar teuren President Suite abgestiegen ist, zu Abend zu essen? Wir also zu dritt in den Speiseraum mit Teakholz Ventilatoren an der Decke, die beiden tätowierten Holländer mit Metallica T-Shirts und Badeschlappen an. Dort dinierten wir wie die Fürsten, während wir von einem Gitarristen sanft mit Richard Clayderman Songs anmusiziert wurden. Und trotzdem war der Spaß noch billiger als ein Abendessen in der „Roten Taube“ in Karlsruhe.
Am nächsten Tag wanderte ich nochmal kreuz und quer durch die Stadt. Beim Rückbestätigen meines Flugs im Bangkok Air Büro prallte ich quasi im Flur mit Klaus zusammen. Wir gingen dann abends noch zusammen einen Cocktail trinken und Abend essen. Ich wagte mich nooch ein letztes Mal in echte burmanische Spezialitäten: Salat aus fermentierten grünen Teeblättern (schmeckt modrig und gallenbitter) und klassische Mohingha (Nudel-Fischsuppe mit diversen Zutaten, die man selbst dazu gibt, z..B. Chillis, Ei, Knoblauch, Fischsauce, Erdnüsse etc.). Diesmal blieb der Magen ruhig.
Am Freitag flogen wir dann zusammen nach Bangkok zurück, Klaus hatte zufällig den selben Rückflug wie ich. Ich quartierte mich in einem für Bangkok relativ teuren Hotel an der Sukhumvit ein, dann gingen wir Pizza essen (ich kann keinen Reis mehr sehen).
Am nächsten Morgen, als ich gerade zum Bahnhof unterwegs war, um mein Zugticket nach Chiang Mai zu kaufen, ergab sich das erste größere Problem auf meiner Reise: Der Geldautomat fraß kommentarlos meine Visa Karte und spuckte sie nicht mehr aus. „Karte wird einbehalten“, und weg war sie. Und das am Samstag Morgen, wenn sowohl hier, als auch in Deutschland alle Banken zu haben. Super. Bevor ich die Karte nicht zurück habe, kann ich ja auch nicht weiter reisen, also musste ich Chiang Mai erstmal verschieben. Ich fand dank Internet und dank Telefon-Notruf raus, dass mir inzwischen eine neue VISA Karte nach Karlsruhe geschickt wurde und die alte ungültig ist. Ich machte einen ziemlichen Aufstand am Telefon, und die DKB Dame versicherte mir, dass die Karte reaktiviert wird. Jetzt muss ich hoffen, dass ich’s morgen irgendwie schaffe, an meine Karte ran zu kommen. Das wird ein Spaß werden.
Nachmittags traf ich mich zum Abschluss nochmal mit Klaus, dessen Rückflug nach München am nächsten Morgen ging. Wir fuhren zur grandiosen Moon Bar ganz oben im 61. Stock im Bayan Tree Bangkok Tower und genehmigten uns einige Drinks unter freiem Himmel. Eine Wahnsinns-Aussicht und ein spektakulärer Sonnenuntergang! Und ein ziemliches Kontrast Programm zu Myanmar.

Ein Drink in der Moon Bar. Man gönnt sich ja sonst (fast) nichts.
Heute habe ich es eher ruhig angehen lassen. Habe endlich mal wieder ausgeschlafen, bin dann von der Sukhumvit nach Banglampoo umgezogen, weil es da viel billiger ist, habe auf gut Glück mein Zugticket gekauft, in der Hoffnung, das ich morgen abreisen kann – und seither spaziere ich in der Stadt umher, bin Boot gefahren, habe einen Markt besucht, war vegetarisch lecker essen und erfreue mich an der Stadt. Ich liebe Bangkok! Ich kann mich nicht sattsehen. Ich finde sogar das feucht-heiß-stickige Klima super. Und nach Burma genieße ich die Sauberkeit – niemand zieht lautstark seinen Rotz hoch und spuckt einem vor die Füße. Das war so ziemlich das einzige, was mir an Burma wirklich arg auf die Nerven gegangen ist. Das Rülpsen, Rotzen und Spucken, auch gerne im Restaurant. Das war schon extrem abstoßend.
Also denn, wenn alles gut geht bin ich übermorgen in Chiang Mai, wo ich auch Weihnachten feiern werde. Aber trotz der üppigen Weihnachtsdekoration und „Jingle Bells“ wo man geht und steht kommt bei mir überhaupt keine Weihnachtsstimmung auf. Wie auch, bei 32 Grad im Schatten. Aber das macht nichts, ich will mich wirklich nicht beklagen.
Kategorien : Allgemein, Burma, Thailand